Erinnert wird an eine in Jena geborene Malerin, Kunstpädagogin und Lebensretterin, die sich 1917 im Jenaer Kunstverein mit Gemälden – vorwiegend Landschaften und Straßenszenen – vorstellte. Als Geschenk übereignete sie dem Verein das Bild „Spaziergänger im Paradies”, was der Sammlung 1937 durch die Aktion „Entartete Kunst” verloren ging. Es entsprach nicht den nationalsozialistischen Normen.
Heute trägt nicht nur eine Straße in Jena ihren Namen, ein beachtlicher Teil ihres künstlerischen Nachlasses befindet sich in der Kunstsammlung der Städtischen Museen, die zum 100. Geburtstag der Künstlerin 1991 eine erste Retrospektive im Romantikerhaus veranstaltete.
Abb.: Ausstellungskatalog der Städtische Museen Jena 1991 mit einer Abbildung von Helene Czapski-Holzmans Bild „Dorfplatz”, 1920 (Öl auf Leinwand auf Hartfaserplatte, Inv. Nr. II, 215) © Kuntsammlungen Jena
Helene Czapski-Holzmann gehört zu den Künstler:innen im 20. Jahrhundert, deren Leben und Schaffen eng mit jüdischem Schicksal verknüpft war und einschneidende Brüche in Kriegen und Diktaturen erfuhr.
Am Beginn ihrer Ausbildung standen namhafte Künstler, wie Henry van de Velde und Erich Kuithan in Thüringen, Hans Poelzig in Breslau, Max Beckmann in Berlin. Sie orientierte sich an avantgardistischen Kunstströmungen; Bezüge finden sich bei Franz Marc, Marc Chagall oder Heinrich Campendonk. In einer kraftvollen, mit den realen Dingen frei manipulierenden Malerei fand sie ihren eigenständigen Weg und Anerkennung bei Kunstkritikern wie Franz Roh, der sie 1923 in der vordersten Reihe junger Künstler sah.
Von Jena nach Kaunas
Entbehrungsreiche Jahre in Litauen, wo ihr Mann, der jüdische Maler Max Holzman, in Kaunas eine Verlagsbuchhandlung aufbaute, unterbrachen die künstlerische Entwicklung.
Weitere harte Einschnitte folgten. Der Familie mit den beiden 1922 und 1924 in Jena geborenen Töchtern verschloss sich die Heimat immer mehr. Schon um 1930 war es durch den erstarkten Antisemitismus nicht mehr möglich, kunstpädagogische Anstellungen in Deutschland zu bekommen. 1933 verstärkten sich auch in Litauen die antisemitischen Anfeindungen, unterbrochen 1940 durch die kurzlebige sowjetische Republik Litauen mit Verstaatlichung der Buchhandlung und schließlich, lebensbedrohend, die Besetzung Litauens durch die deutsche Wehrmacht 1941. Den sofort einsetzenden willkürlichen Verhaftungen und Erschießungen fielen Max Holzman und die älteste Tochter Marie noch im gleichen Jahr zum Opfer.
Erst viel später konnte Helene Holzman dem Durchlebten und Erlittenen künstlerisch Ausdruck verleihen – in Bildern der Trauer, der innigen Zuneigung und Hoffnung. Hinter dem Eisernen Vorhang ohne Verbindung zur westlichen Kunstentwicklung, griff sie noch einmal kubistische Formelemente auf.
Aufzeichnungen vom Schrecken und Grauen
Vorher, und zwar gleich nach Abzug der deutschen Truppen im Sommer 1944, begann die Künstlerin ein literarisches Werk, dessen Veröffentlichung sie selbst nicht erlebte. Sie schrieb tagebuchartig in korrekter Chronologie ihre Erlebnisse aus den drei Jahren deutscher Besetzung auf. Sie schrieb auf, was sie erlitt, wie sie trotz ständiger eigener Gefährdung und Wohnungsdurchsuchung den im Ghetto eingeschlossenen jüdischen Freunden half, Flüchtende aufnahm und mit anderen Frauen Kinder aus dem Ghetto rettete. Fruma Vitkin, deren Familie im Ghetto umkam, blieb als Pflegetochter bei ihr. Als kurz nach dem Krieg Deutsche und Juden in die Stalinschen Lager nach Sibirien deportiert wurden, gelang es Fruma, Helene Holzman und Margarete (ihre überlebende Tochter) in letzter Minute davor zu bewahren.
Nachkriegsjahre in Litauen und Ausreise
Nach Deutschland zurückzukehren wurde ihr verwehrt. Sie lehrte Deutsch an der Polytechnischen Hochschule in Kaunas. 1950 wurde ihr gekündigt, weil sie im neuen sozialistischen Regime Mut zeigte und kritischen Studenten beistand. Bis zum Ruhestand unterrichtete sie noch an einer Musik-Mittelschule Deutsch. Erst 1965 durfte sie, allerdings nur mit ihrer eigenen Tochter Margarete, in die BRD ausreisen.
Helene Holzmans Leben, ihre Wahrhaftigkeit, ihr unerschrockener Einsatz für leidende Mitmenschen setzt im Rückblick Maßstäbe gegen jeglichen Terror. Schon zur Retrospektive ihres künstlerischen Werkes 1991 in Jena bekundeten Vertreter des litauischen Staates, der Kulturgesellschaft der litauischen Juden und ehemalige Schüler, dass Helene Holzman mit Hochachtung und Dankbarkeit gedacht wird und ihr humanistisches Vermächtnis als Künstlerin und Lebensretterin nicht vergessen ist.
Im Jahr 2000 wurden die von Margarete Holzman und Reinhard Kaiser herausgegebenen Aufzeichnungen von 1941 bis 1944, betitelt „Dies Kind soll leben,” mit dem Geschwister Scholl-Preis ausgezeichnet.
2005 erhielt Helene Holzman posthum vom Staat Israel die Yad Vashem-Auszeichnung „Gerechte unter den Völkern“.
Zur Verfasserin:
Die Kunsthistorikerin Maria Schmid war langjährige Leiterin des Stadtmuseums Jena. Sie initiierte die Einrichtung des Jenaer Romantikerhauses als Literaturmuseum und war maßgeblich am Ausbau der Jenaer Kunstsammlung seit den 1970er Jahren beteiligt. Sie ist aufgrund ihrer Verdienste Ehrenmitglied des Jenaer Kunstvereins.