Jenas letzter Dadaist.

Zum 1. Todestag von Achim Heidemann (1929–2020)

„Mein oberstes Verlangen und Ziel ist stets, eine gute Gestaltung zu erreichen. Rechts und links unterscheiden sich. Die Arbeiten sollen weder rechts- noch linkslastig sein. Oben ist leicht, unten gewichtig. Die Arbeiten sollen gestalterisch keine Löcher haben, sollten nicht überladen sein. Less is still more. Farben sollen sich nicht an einer Stelle zusammenballen, sie sollten gut verteilt sein. Kontraste bringen Spannungen in eine Arbeit. Sie dürfen aber Ganzheiten nicht zerstören. Nichts sollte sich isolieren, herausfallen, alles muss gebunden sein, sollte einen Gesamtzusammenhang ergeben. Letztlich strebe ich Ordnung und Harmonie an, das, was ich als schön empfinde.“
Achim Heidemann, 2014

Achim Heidemann, Ohne Titel, 2018, Papiercollage, 25 x 20 cm, Privatbesitz

Achim Heidemann bezeichnete sich gern als Formalist. Das meinte er freilich selbstironisch, denn im Sinne der staatlich gelenkten Kunst- und Kulturpolitik in der DDR war er alles andere als das. Er war unangepasst und diskursfreudig, ein Autodidakt, Freigeist und Macher und – insbesondere nach der politischen Wende 1989 – in verschiedenen Rollen aktiv. Er wirkte nicht nur als Künstler, sondern leitete viele Jahre lang die „Galerie im Foyer” des Jenaer Volkshauses, schrieb als Kunstkritiker unzählige Beiträge für Thüringer Tageszeitungen, trat als Kunsttheoretiker und Lehrer in Erscheinung, war Sammler und nicht zuletzt Weggefährte des Jenaer Kunstvereins.

Achim Heidemann vor seiner Collage “Keine Sonne” im Jahr 2014, Foto: Stadtwerke Energie Jena-Pößneck

Heidemann wurde 1929 in Leipzig geboren und studierte Chemie, Physik und Pädagogik. Zugleich interessierte ihn die Kunst. Bereits ab den 1950er Jahren entstanden eigene Arbeiten. Es folgte ein Fernstudium an der Hochschule für industrielle Formgestaltung in Halle/Burg Giebichenstein.

In seinem künstlerischen Schaffen galt Heidemanns Interesse den einfachen Dingen, zufälligen Fundstücken, schnöden Alltagsgegenständen und Abfallprodukten unseres täglichen Lebens, die er – vielfach auch als Mail-Art – zu Collagen und Assemblagen arrangierte. Dabei war das Ordnen und Zusammenführen der einzelnen Objekte keineswegs nur ein bloßes Formenspiel, wie man Heidemanns Eingangszitat entnehmen könnte, sondern ein kreativer Gestaltungsprozess, bei dem es darum ging, Zusammenhänge zu klären, Beziehungen und Wirkweisen sichtbar zu machen. Auch wenn seine Arbeiten auf den ersten Blick spielerisch daherkommen, so sind sie vor allem Reaktionen und zumeist auch hintergründige Reflexionen auf seine Umwelt, auf gesellschaftliche Zustände, mit denen er seinen Mitmenschen nicht selten den Spiegel vorhielt. Damit stand er den Bewegungen von Dada und Arte Povera sehr nah.

Als langjähriges Mitglied im Jenaer Kunstverein war Achim Heidemann immer auch eifriger Mitstreiter. Im Jahr 2000 präsentierte er in der damaligen Galerie des Vereins in der Jenaer Zwätzengasse einen Querschnitt seines Schaffens aus den Jahren 1991 und 2000.

Plakat zur Ausstellung »collagiert + montiert 1991 –2000« von Achim Heidemann in der Galerie des Jenaer Kunstvereins in der Zwätzengasse Jena im Jahr 2001.

2009 folgte eine umfassende Retrospektive in der Kunstsammlung Jena. 2014 veranstalteten die Stadtwerke Energie Jena-Pößneck zusammen mit der Galerie Huber & Treff eine größere Schau. Zuletzt widmeten ihm Huber & Treff im Jahr 2019 eine Doppelausstellung zusammen mit Lutz Leibner.

Achim Heidemann verstarb am 24. Oktober 2020 im Alter von 91 Jahren. Sein Werk bleibt bestehen, sein Wirken unvergessen.

Achim Heidemann, Radius (A), 2017, Collage, Fundstücke auf Pappe, Ø 17 cm, Privatbesitz

Literaturempfehlungen:

• Achim Heidemann – KUNST KNUST. Ausstellungskatalog, Kunstsammlung Jena, hrsg. von Erik Stephan/JenaKultur, mit Texten von Erik Stephan, Ulrike Pennewitz und Manuela Dix, Leipzig 2009 (↗ Titel im Katalog der Thüringer Landesbibliothek)

• Achim Heidemann – „Wozu sind die Wege da …“. Ausstellungskatalog, Foyer der Stadtwerke Energie Jena-Pößneck GmbH, mit Texten von Torsten Treff, Caroline Buchartowski und Erik Stephan, Leipzig 2014 • Achim Heidemann – KUNST KNUST. Ausstellungskatalog, Kunstsammlung Jena, hrsg. von Erik Stephan/JenaKultur, mit Texten von Erik Stephan, Ulrike Pennewitz und Manuela Dix, Leipzig 2009 (↗ Titel im Katalog der Thüringer Landesbibliothek)


Die Autorin und Kunsthistorikerin Dr. Conny Dietrich ist stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Jenaer Kunstvereins

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